Nor­bert Barth­le: Ge­mein­sam die Po­ten­zia­le des Tou­ris­mus he­ben

In­wie­fern leis­ten deut­sche Ur­lau­ber ei­nen Bei­trag zur Sta­bi­li­sie­rung und Ent­wick­lung von Schwel­len­län­dern?

Der Beitrag ist nicht zu unterschätzen. In mehr als einem Drittel aller Entwicklungs- und Schwellenländer ist Tourismus bereits der bedeutendste Devisenbringer und in vielen der ärmsten Länder leistet er einen wesentlichen Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt. Aus Deutschland allein reisen jährlich circa elf Millionen Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländer und stärken so einen Sektor, der für viele dieser Länder ein wirtschaftlicher Stabilitätsanker ist. Fast 740 000 Jobs in den Entwicklungs- und Schwellenländern existieren dank der Reisen und Ausgaben der Touristen aus Deutschland. Rechnet man die indirekten Effekte ein, sind es sogar 1,8 Millionen Arbeits- plätze. Oder, anders ausgedrückt: 15 deutsche Reisende sorgen im Zielland für einen Arbeitsplatz.  

​​​​​​​Was ver­spricht sich die deut­sche Ent­wick­lungs­zu­sam­men­ar­beit von der Ko­ope­ra­ti­on mit der Rei­se­wirt­schaft?

Wir wollen gemeinsam die Potentiale des Tourismus für eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung nutzen, ohne die möglicherweise damit verbundenen Risiken zu vergessen. Dabei geht es uns um das Management natürlicher Ressourcen, um den Schutz der Artenvielfalt und des Klimas. Es geht aber auch um Themen wie Aus- und Weiterbildung im Tourismussektor und um die Zusammenarbeit mit den lokalen Gemeinden bei der wirtschaftlichen Entwicklung vor Ort. In den vergangenen 25 Jahren konnten die Entwicklungsländer ihren Marktanteil am weltweiten Reiseverkehr mehr als vervierfachen. Schätzungen gehen davon aus, dass in den nächsten zehn Jahren allein in Afrika fünf Millionen neue Arbeitsplätze durch den Tourismus entstehen. In den Schwellenländern, insbesondere den Boom-Regionen Asiens, gehen Experten im gleichen Zeitraum von sogar 40 Millionen neuen Arbeitsplätzen aus. Für viele Jobs im Tourismus sind weder spezielle Fachkenntnisse noch hohe Investitionen erforderlich. Daher bietet er auch in Entwicklungsländern vielversprechende Beschäftigungs- und Einkommensmöglichkeiten für gering- bis mittelqualifizierte Arbeitskräfte und für arme und benachteiligte Einheimische. Durch die Zusammenarbeit mit der Tourismuswirtschaft wollen wir erreichen, dass Tourismus, da wo es Chancen gibt, auch zum Jobmotor wird; durch Fachwissen, Innovation und Wirtschaftskraft.  

​​​​​​​In wel­chen Län­dern ist das BMZ für ei­ne nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung durch Tou­ris­mus ak­tiv?

Weltweit fördert das BMZ derzeit über 90 Projekte, in denen Tourismus eine Rolle spielt. Diese Projekte haben meist übergreifende Ziele, wie eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung oder den Schutz der Umwelt, sind aber kombiniert mit verschiedenen Ansätzen der Tourismusförderung. Gemeinsam mit Thailand und der Mongolei unterstützen wir zum Beispiel in drei mongolischen Provinzen die Schaffung von Jobs und fördern Angebote für Ökotourismus und fairen Tourismus sowie deren Vermarktung. Durch das Projekt sind neue Reiserouten, zum Beispiel zu den Bogenmachern in der Provinz Selenge, entstanden. Im südlichen Afrika sind wir am Aufbau des Kavango Zambezi Transfrontier Conservation Area (KAZA TFCA), einem der größten Naturschutzgebiete der Welt, beteiligt. Dieses Gebiet besteht aus 36 miteinander verbundenen Schutzgebieten und Nationalparks in Angola, Sambia, Simbabwe, Botsuana und Namibia und ist mit rund 520 000 Quadratkilometern flächenmäßig größer als Spanien. Vorrangig geht es um den Erhalt der Biodiversität, aber auch um nachhaltige Entwicklung des Tourismussektors in den beteiligten Staaten. Die KfW Entwicklungsbank begleitet den Aufbau von KAZA in unserem Auftrag. Deutschland ist größter Geldgeber mit 35,5 Millionen Euro. Tunesien ist eine wichtige touristische Destination, nicht nur für die deutschen Urlauber. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit fördert gezielt Angebote für nachhaltigen Tourismus, durch den Aufbau von leistungsfähigen Strukturen vor Ort und durch Erweiterung von Kultur- und Ökotourismusangeboten und auch innovative Kooperationsformate zwischen privatwirtschaftlichen Akteuren des Tourismussektors. Das schafft die Voraussetzungen für beschäftigungswirksames Wachstum im Land.