Der Deutsche Reiseverband (DRV) bewertet die Ergebnisse des Trilogverfahrens zur Reform der EU-Pauschalreiserichtlinie überwiegend positiv. „Die politische Arbeit hat sich gelohnt“, erklärt DRV-Präsident Albin Loidl. Der nun vorliegende voraussichtlich finale Richtlinientext der EU-Pauschalreiserichtlinie zeigt eindeutig, dass zentrale Kernforderungen des DRV berücksichtigt worden sind und zahlreiche drohende Belastungen abgewendet werden konnten. „Die neue Richtlinie stärkt die Rechtssicherheit für Reiseveranstalter und -vermittler, schafft klare Abgrenzungen zwischen Pauschalreisen und Einzelleistungen und verhindert wesentliche bürokratische und finanzielle Belastungen“, so Loidl.
Besonders erfreulich ist, dass Reisemittler weiterhin mehrere Einzelleistungen vermitteln können, ohne zum Veranstalter mit entsprechender weitreichender Haftung zu werden. Möglich macht dies eine eindeutige Abgrenzung von Einzelleistung und Pauschalreise - für die sich der DRV von Beginn an mit großem Nachdruck eingesetzt hatte. Zudem konnte verhindert werden, dass Reisemittler ein Beschwerdemanagement vorhalten müssen, wie es nun für Reiseveranstalter vorgeschrieben ist. Für Reisebüros hätte das einen enormen personellen, zeitlichen und damit finanziellen Aufwand bedeutet.
Zu den wichtigsten Erfolgen zählen zudem der Erhalt der bisherigen Definition außergewöhnlicher Umstände, der Verzicht auf verpflichtende alternative Streitbeilegungsverfahren sowie das Aus für EU-weit einheitliche Anzahlungsregeln. Auch das vom Parlament geforderte Recht des Kunden, kostenfrei von der gebuchten Reise zurückzutreten, wenn eine Reisewarnung 28 Tage vor Reiseantritt erlassen wurde, konnte sich im Trilog nicht durchsetzen.
Dennoch bleibe das Gesetz an einigen wenigen Stellen hinter den Erwartungen zurück, so der DRV-Präsident. Weder eine flexiblere Rückerstattungsfrist noch verpflichtende Gutscheinlösungen bei erheblichen Marktstörungen – zentrale Lehren aus der Pandemie – hätten Eingang in die Richtlinie gefunden. „Trotz dieser Schwächen überwiegt das positive Gesamtbild. Die Einigung sorgt in vielen Bereichen für dringend benötigte Klarheit und Planungssicherheit“, so Loidl.
Der nun vorliegende Text muss noch vom Parlament und Rat verabschiedet werden, erwartet wird dies in Sitzungen Anfang des neuen Jahres. Die neue Richtlinie der EU sieht grundsätzlich eine Vollharmonisierung vor. Das heißt, es dürfen auf nationaler Ebene nur dann strengere oder weniger strenge Regeln vorgesehen werden, wenn es die Richtlinie explizit erlaubt. Damit gibt es nur einen äußerst geringen Spielraum bei der Umsetzung in deutsches Recht.
Die DRV-Analyse zeigt die wichtigsten Ergebnisse:
Der DRV hatte in politischen Gesprächen und gemeinsamen Stellungnahmen sowie Positionspapieren mit anderen maßgeblichen Verbänden kontinuierlich im politischen Prozess auf mögliche Fehlentwicklungen hingewiesen. Was verhindert werden konnte:
Mehrere Einzelleistungen werden nicht zwingend zur Pauschalreise
Auch weiterhin ist es möglich, mehrere Einzelleistungen zu vermitteln, ohne direkt zum Veranstalter mit entsprechender weitreichender Haftung zu werden – ein zentraler Erfolg für die Reisemittler. Möglich macht dies die eindeutige Abgrenzung von Einzelleistung und Pauschalreise.
Bei der Vermittlung von Einzelleistungen sind künftig aber bestimmte Informationsplichten zwingend vorgeschrieben: Kunden müssen darüber informiert werden, dass eine Einzelleistung statt einer Pauschalreise gebucht wird. Wird der Kunde nicht darüber informiert, dass keine Pauschalreise vorliegt, und er bucht innerhalb von 24 Stunden nach seiner Zustimmung zur ersten Reiseleistung eine zweite Leistung, dann wird dies rechtlich ebenfalls als Pauschalreise gewertet.
Die Kategorie der „verbundenen Reiseleistung“, die bisher dazu diente bei der Bündelung von Einzelleistungen nicht zum Veranstalter zu werden, wurde komplett gestrichen. Mit neun weiteren Reise- und Tourismusverbänden hatte der DRV in einem gemeinsamen Verbändepositionspapier für eine eindeutige Abgrenzung von Einzelleistung und Pauschalreise votiert.
Click-Through-Buchungen ausgeweitet
Für mehr Wettbewerbsgleichheit zwischen Online-Portalen und dem klassischen Reisevertrieb sorgt eine neue Vorgabe: Click-Through-Buchungen liegen künftig bereits vor, wenn der erste Anbieter eine einzige persönliche Angabe des Kunden, durch die er identifiziert werden kann, an einen anderen Anbieter innerhalb von 24 Stunden weiterleitet. Bislang mussten es drei additive Daten sein (Name, E-Mail-Adresse und Zahlungsdetails des Kunden).
Verschärfung der Definition von außergewöhnlichen Umständen vom Tisch
Die angedachten Verschärfungen bei der Definition von außergewöhnlichen Umständen für eine kostenfreie Stornierung sind nicht umgesetzt worden. Die Umstände am Wohnort des Reisenden bleiben entgegen der Forderung des EU-Parlaments irrelevant. Ausschlaggebend sind wie bislang auch die Umstände im Zielgebiet, am Abfahrtsort (nicht gleichzusetzen mit dem Wohnort) und auf dem Weg zum Zielgebiet. Sehr detailliert wird nun in den Erwägungsgründen darlegt, bei welchen Kriterien unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände vorliegen – unter anderem bei einer Reisewarnung oder behördlichen Einschränkungen im Zielgebiet. Diese Klarstellungen sind zu begrüßen. Das schafft Rechtssicherheit statt Ausweitung von Rücktrittsrechten.
Keine kostenlose Stornierung bei Reisewarnung 28 Tage vor Abreise
Eine ganz besondere Verschärfung mit drastischen Folgen konnte beim Thema kostenlose Stornierung verhindert werden. Das Parlament hatte vorgeschlagen, dass ein Kunde von der Reise zurücktreten kann, wenn innerhalb von 28 Tagen bis zu seinem Reiseantritt eine Reisewarnung für sein Zielgebiet herausgegeben wurde. Dass sich dieser Passus nun nicht mehr im Dokument findet, ist als großer und wichtiger Erfolg zu werten. Es war einer der Kernkritikpunkte des DRV. Eine solche Regelung hätte bei Reiseveranstaltern zu zusätzlichen signifikanten Belastungen geführt.
Infopflichten zu Einreise- und Gesundheitsbedingungen nur bei Buchung
Es konnte im Sinne der Veranstalter verhindert werden, dass zusätzliche Informations- und Haftungspflichten eingeführt werden. So hatte das Parlament umfassende und fortlaufende Informationspflichten zu Einreise- und Gesundheitsbestimmungen gefordert, nach denen die Reiseveranstalter verpflichtet werden sollten, ihre Kunden bis zum Reiseantritt weiter über mögliche Änderungen zu informieren.
Bei Geschäftsreisen bleibt es beim Status quo
Geschäftsreisen, die auf Basis von Rahmenvereinbarungen zwischen Unternehmen und Anbietern erfolgen, fallen nicht unter die EU-Pauschalreiserichtlinie – so wie bisher. Die Konsequenzen bleiben überschaubar, da durch die Neuregelung sowieso mehrere Einzelleistungen vermittelt werden können ohne in die Veranstalterhaftung zu geraten, wenn die Informationspflichten erfüllt sind.
Keine Regeln zur Höhe von Anzahlungen und den Zahlungsfristen
Die geplanten europäischen Vorgaben zu Anzahlungsregeln wurden nicht umgesetzt. Damit bleibt es voraussichtlich bei der bisherigen etablierten Rechtslage. Mitgliedstaaten können bei der nationalen Umsetzung Regelungen einführen, falls sie dies für erforderlich halten. Der DRV wird sich dafür einsetzen, dass der Status quo beibehalten wird.
Keine verpflichtende Teilnahme an alternativer Streitbeilegung
Es wird keine Pflicht geben, sich einer alternativen Streitbeilegungsstelle anzuschließen. Das Parlament wollte eine verpflichtende Teilnahme, dieses hätte erhebliche Kosten verursacht. Es bleibt bei einer freiwilligen Teilnahme; somit fallen keine zusätzlichen Kosten an und es ist kein Aufbau neuer Strukturen notwendig.
Reiseveranstalter müssen nun allerdings zwingend ein Beschwerdemanagementsystem vorhalten. Positiv hervorzuheben ist, dass dieses nicht für Reisemittler gilt, wie ebenfalls zwischenzeitlich überlegt.
Das bleibt hinter den Erwartungen der Einigung:
Frist für Reisepreiserstattung bleibt bei 14 Tagen
Keine Lehren aus der Pandemiesituation hat die EU bei der Rückerstattungsfrist gezogen: Es bleibt bei der 14-Tagesfrist, innerhalb derer der Veranstalter dem Kunden den Reiserpreis bei Stornierung oder Kündigung erstatten muss. Der DRV hatte eine Ausweitung der Frist bei Vorliegen massiver Marktstörungen, wie z.B. Pandemien, gefordert.
Gutscheine bleiben freiwillig
Ebenfalls unberücksichtigt bleibt die Forderung nach verpflichtenden Gutscheinen, wenn Reisen aufgrund schwerwiegender Marktstörungen nicht stattfinden können und dem Kunden das Geld zurückgezahlt werden muss. Gerade bei großen Krisen wie einer Pandemie wäre dieses Instrument für Reiseanbieter hilfreich, um Liquiditätsschwierigkeiten und Insolvenzen zu vermeiden.
