„Urlaub muss auch für Durchschnittsverdiener bezahlbar bleiben“

DRV-Hauptstadtkongress: Ökonomische Aussichten, Klimakrise und Fachkräftesicherung im Mittelpunkt der Grundsatzrede von DRV-Präsident Norbert Fiebig

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„Der brutale, terroristische Angriff der Hamas auf Israel, die wahllosen Tötungen und die Verschleppung hunderter Zivilisten machen uns alle – machen mich – mehr als nur betroffen und fassungslos ob dieser unerträglichen Attacke gegen die Menschlichkeit“, mit diesen Worten beginnt Norbert Fiebig, Präsident des Deutschen Reiseverbandes (DRV), seine Grundsatzrede anlässlich des diesjährigen DRV-Hauptstadtkongresses. Angesichts der dramatischen Bilder der vergangenen Tage falle es schwer auf die aktuellen Herausforderungen für die Volkswirtschaft und die Branche zu sprechen zu kommen.

„Erstmals nach der Corona-Pandemie haben wir wieder ein normales Jahr geschafft. Und das aus eigener Kraft. Die Deutschen wollen reisen und sie reisen auch wieder – sowohl privat als auch zu geschäftlichen Zwecken“, unterstreicht der DRV-Präsident die grundsätzlich gute Stimmung der Reisewirtschaft kurz vor Ende des Touristikjahres 2022/2023. Herausfordernd bleibe allerdings die allgemeine wirtschaftliche Lage. So hat die Anzahl der Reisenden, entgegen der Umsatzentwicklung, noch nicht wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht.

Anlässlich der zu beobachtenden Zweiteilung der Kundennachfrage mahnt Fiebig Wachsamkeit an. Während viele Menschen sich nach wie vor – auch bei gestiegenen Preisen – das Reisen leisten können und wollen, gibt es auf der anderen Seite auch immer mehr Menschen, die sich den Sommerurlaub nicht mehr erlauben könnten. „Das hat das Zeug zu einer sozialen Frage, wenn nicht alle aufpassen“, sagt Fiebig. „Der Urlaub muss auch für Durchschnittsverdiener weiter bezahlbar bleiben“, so seine Forderung. Deshalb dürfe auch die Preisschraube von den Leistungsträgern nicht überdreht werden. Die Bundespolitik sieht Fiebig ebenfalls in der Pflicht und fordert: „Die Nachfrage muss stimuliert werden.“ Und dafür brauche es Entlastungen. „Insgesamt geht es darum, dass die Menschen mehr Geld für den Konsum in der Tasche haben.“

Pauschalreiserichtlinie erneut in Brüssel auf dem Prüfstand

„Europa will uns weitere Regelungen aufzwingen – und das, obwohl Schutz und Sicherheit gerade bei der besonders verbraucherfreundlichen Pauschalreise ohnehin schon sehr gut funktionieren“, kritisiert der DRV-Präsident. Unter dem Vorwand etwas für die Reisenden tun zu wollen, drohe aus Brüssel eine weitere Verschärfung der Pflichten von Reiseveranstaltern und Reisemittlern. Zusätzliche Auflagen kosten Geld und verteuern das Produkt Pauschalreise – und das mache es für die Reisenden unattraktiver. In der Folge buchen die preissensiblen Kundinnen und Kunden dann die auf den ersten Blick günstigere – aber ungeschützte – Reise. „Sie stimmen also quasi mit dem Geldbeutel über den Verbraucherschutz ab“, erläutert der DRV-Präsident. Am Ende würden immer weniger Menschen gut geschützt verreisen – und immer mehr ohne jeglichen Schutz. Das eigentliche Ziel der EU werde damit ad absurdum geführt – ein klassisches Beispiel von: gut gedacht, aber schlecht gemacht. „Das gilt es zu verhindern!“, so Fiebig. „Wir brauchen definitiv keine weiteren Wettbewerbsverzerrungen und Nachteile gegenüber anderen Playern im Markt.“ Es könne nicht das Ziel von Politik sein, die gut geschützte Pauschalreise zu einem teureren, unattraktiveren Produkt zu machen. „Verbraucherschutz heißt nicht, immer alles teurer zu machen. Dann haben wir am Ende viel Verbraucherschutz für ganz wenige und die Mehrheit reist ungeschützt. Gleiche und faire Bedingungen auf einem Wettbewerbsfeld für alle –das muss das Ziel der EU sein“, fordert der DRV-Präsident in Richtung Brüssel.

Dauerbrenner Fachkräftemangel droht zur Wachstumsbremse zu werden

In den kommenden Jahren werden viel mehr Beschäftigte aus dem Arbeitsleben ausscheiden als nachrücken – das gilt auch für die Reisewirtschaft. Diese Entwicklung – bedingt durch den demografischen Wandel – verschärft den Fachkräftemangel weiter. Die Reisewirtschaft befinde sich, laut Fiebig, längst im intensiven Wettstreit mit anderen Branchen um die besten Talente. Die gezielte Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland könne hier – zumindest in einigen Segmenten der Branche – Entlastungen bringen.

Noch besorgniserregender sei jedoch die Ausbildungssituation in der Reisewirtschaft. „Wir müssen uns selbst stärker in die Pflicht nehmen und wir müssen wieder mehr ausbilden“, appelliert der DRV-Präsident. Die immer schnellere Weiterentwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI) führe gerade im Reisebüro zu neuen Herausforderungen und erhöhe den Anspruch der immer besser informierten Kundinnen und Kunden an die Beratungsqualität zusätzlich – auch wenn durch den Einsatz von KI im Arbeitsalltag Entlastungen geschaffen werden könnten. „Es gilt, den Mehrwehrwert des Reisebüros – die kompetente, die professionelle Beratung – zu sichern. Und das geht nur mit qualifizierten, mit gut ausgebildeten Fachkräften“, betont Fiebig. „Wir müssen es schaffen, schon bei den Schülerinnen und Schülern auf dem Schirm zu sein. Wir müssen die jungen Leute für uns gewinnen. Wir müssen sie begeistern, ausbilden und binden.“ Junge Menschen haben vielfältige Möglichkeiten, den Wandel, in dem sich die Reisewirtschaft befindet, aktiv mitzugestalten. „Klimaschutz und Nachhaltigkeit, Digitalisierung, plus die Chance ins Ausland zu gehen und die Welt kennenzulernen – wir haben viel von dem zu bieten, was jungen Menschen heute wichtig ist“, wirbt der DRV-Präsident. „Unsere Branche ist modern, zukunftsorientiert und gut aufgestellt.“

Klimakrise bringt neue Herausforderungen in Sachen Klimaschutz

Der Sommer mit seinen Wetterextremen hat den Klimawandel erneut deutlich gemacht. Noch habe es kein verändertes Reiseverhalten der Deutschen in Folge der Sommerhitze gegeben, so Fiebig. „Die Menschen suchen den ‚zuverlässigen Sommer‘, die ‚Schönwetter-Garantie‘. Und das bietet im Sommer insbesondere der Süden Europas.“ Fiebig stellt klar: „Die Wetterextreme nehmen zu. Der Klimawandel ist Realität. Darauf müssen wir uns einstellen, das müssen wir im Blick haben!“ Perspektivisch werde es zu Veränderungen im Konsumverhalten kommen. „Und das muss Veränderungen in der Angebotsstruktur nach sich ziehen“, fordert er. „Wir haben eine große Verantwortung“, betont der DRV-Präsident. „Wir alle müssen beim Klimaschutz noch schneller und noch stärker werden. Perspektivisch hilft nur der schrittweise Verzicht auf fossile Brennstoffe. Das Ziel heißt nach wie vor CO2-neutrale Mobilität.“ Die Politik sei hier gefordert, die Förderung von Innovationen und klimaschonenden Technologien und deren Umsetzung schneller und gezielter voranzutreiben. „Das ist von erfolgsentscheidender Bedeutung für die gesamte Reisewirtschaft“, so Fiebig. Gleichzeitig seien gezielte Maßnahmen zur Klimaanpassung dringend erforderlich.

Eine maßgebliche Aufgabe kommt aus Sicht des DRV-Präsidenten den Reisebüros zu, wenn es um die Sensibilisierung und Beratung der Reisenden hin zu klimaschonenderen, nachhaltigeren Reisen gehe. „Dabei geht es nicht um den erhobenen Zeigefinger. Nein! Denn damit kommen wir nicht weiter“, erläutert Fiebig. „Es geht um Information, um Argumente, um Tipps und letztendlich um Überzeugung.“ Dazu hat der DRV aktuell den DRV-Climate Counter, ein Online-Training für Reisebüros, auf der DRV-Webseite zur kostenlosen Nutzung veröffentlicht. Dieses vermittelt Basiswissen zur Klimawirkung von Reisen und zum Klimaschutz im Tourismus, ergänzt um praktische Tipps für die Beratung.

Abschließend appelliert der DRV-Präsident noch einmal in Richtung Politik: „Überregulierungen und Wettbewerbsverzerrungen müssen vermieden werden!“ und in Richtung Branche: „Als Reisewirtschaft müssen wir alles daransetzen, Urlaubern und Geschäftsreisenden auch zukünftig gute, zuverlässige Angebote zu fairen Preisen zu machen, die auch unseren Ansprüchen an den Klimaschutz und unserer Verantwortung gerecht werden.“ Die ökologische Transformation und Ausrichtung hin zu einem nachhaltigen und klimaschonenden Tourismus sei dabei entscheidend für das zukünftige Wachstum der Branche.

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