Reisewirtschaft in Lockdown gedrängt – Belastungen sind unverhältnismäßig

Der Präsident des Deutschen Reiseverbandes, Norbert Fiebig, äußert sich zur aktuellen Situation

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Die Bundesregierung steuert die Reise- und Luftverkehrswirtschaft in einen sektoralen Lockdown. Während Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mehrfach betont hat, dass Deutschland aus dem ersten Lockdown gelernt habe und deshalb das Land nicht in einen zweiten steuern werde, beweist er gerade genau das Gegenteil: Er will ab Oktober eine Einreisequarantäne von fünf Tagen bei der Rückkehr aus allen Risikogebieten durchsetzen. Das sind derzeit fast alle Länder dieser Welt, inzwischen auch wieder sehr viele europäische Staaten. Spahns Rufe nach dem Herbst- und Winterurlaub in Deutschland haben nichts mit Infektionsschutz zu tun und sind in vielerlei Hinsicht schädlich. Für die Reisewirtschaft hat Gesundheit natürlich oberste Priorität. Aber an Deutschland und das europäische wie außereuropäische Ausland wird zweierlei Maß angelegt. Ein Beispiel: In Bayern gibt es aktuell drei Hotspots: Rosenheim, Würzburg und Memmingen. Das hält Gesundheitsminister Jens Spahn aber nicht davon ab, Herbsturlaub in Deutschland zu empfehlen. In Spanien gibt es eine Reihe von touristisch relevanten Inseln – z.B. Lanzarote, Formentera und Menorca – die keinen einzigen Hotspot haben. Trotzdem gilt dort eine Reisewarnung. Das ist absurd – und schadet nicht nur der deutschen Reisewirtschaft. Auch die Wirtschaft vor Ort hängt zu einem großen Teil vom Tourismus ab und wird durch solche undifferenzierten Entscheidungen enorm in Mitleidenschaft gezogen.

Es ist wichtig, dass wir Hotspots identifizieren, klar benennen und dann mit einer Reisewarnung belegen. Aber es muss in Deutschland wie im Ausland die gleiche Bemessungsgrundlage gelten. Unterschiedliche Standards anzulegen – hier die Landkreise, dort gleich ganze Regionen oder Inselgruppen – ist nicht fair und nicht zielführend.

Die Bundesregierung drückt sich seit Monaten vor einer risikobasierten Teststrategie. Dem RKI liegen genaue Zahlen vor, welche Reisedestinationen gefährlich sind und welche nicht. Rückkehrer aus dem Kosovo tragen Covid-Infektionen nach Deutschland zurück, Spanien-Urlauber nicht. Finca-Urlaub ist nicht gefährlicher als eine S-Bahn-Fahrt in Berlin. Das belegen die Rückkehrertests sehr klar. Gesundheitsminister Spahn ignoriert das. Damit stärkt er nicht den Infektionsschutz, belastet aber die Wirtschaft unverhältnismäßig.

Die Bundesregierung verhindert damit nicht nur Urlaubsreisen. Sie stoppt damit auch viele hunderttausend Geschäftsreisen, die für die exportorientierte deutsche Wirtschaft dringend nötig sind. Die beschlossene Quarantänepolitik verhindert Geschäftsabschlüsse und gefährdet damit Arbeitsplätze in Deutschland. Nicht nur Reiseunternehmen werden damit geschädigt, auch Flughäfen verlieren Passagiere und Airlines einen Großteil ihrer Buchungen.

Auch wenn die globale Reisewarnung zum 1. Oktober aufgehoben und durch spezifische Reise- und Sicherheitshinweise ersetzt wird, wird die Unsicherheit in Sachen Urlaubs- und Geschäftsreisen bleiben und es wird fast keine Möglichkeit geben, außerhalb Europas zu reisen. Damit unterbindet die Bundesregierung faktisch die Berufsausübung von Reisebüros und Reiseveranstaltern. Es gibt für den Winter derzeit fast nichts, was verkauft werden kann. Damit ist die Reisewirtschaft eine Händlerin ohne Ware.

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